Soll ich denn selbst Volare singen?
Leider ein ernstgemeinter Erlebnisbericht über die venezianische Silvesternacht 2011/12 in der Stralsunder Brauerei.
Ich war am Silvesterabend 2011/12 mit zwei bezaubernden Frauen in der Brauerei. Venezianische Nacht – das klang verheißungsvoll. Fazit für mich und meine Begleitung: Das war nichts, wir sind sehr enttäuscht! Unsere Kritik bezieht sich ausdrücklich nicht auf das Servicepersonal, das wirklich passend gekleidet und freundlich war, und nicht auf das schmackhafte Essen. Auch wenn es thematisch nichts mit einer Venezianischen Nacht zu tun hatte.
Kritikwürdig war dieser Abend gleich an mehreren anderen Baustellen. Es ist natürlich ein Problem, wenn unterschiedliche Altersgruppen verschiedene Musikgeschmäcker haben. Aber darauf kann man sich einstellen und Einfluss nehmen. Das fängt auch schon bei der Bandauswahl an und was man mir ihr vereinbart. Für einen Abend mit Live-Musik hat die Band auch vor Mitternacht wesentlich zu wenig gespielt.
Die thematische Umsetzung der „Venezianischen Nacht“ ging fast vollständig in die Hose. Ein paar Pappmasken als Deko, nette Kleider der Bedienung, ein Beamer im Flur mit Bildern aus Venedig. Das war alles. „Volare“ musste ich schon allein auf dem Flur singen. Frau Jendsch, die Veranstaltungsleiterin, kann gerne bei mir mal anfragen, wie meiner Meinung nach eine venezianische Nacht zu Silvester in der Brauerei aussehen könnte. Alles ohne großen Aufwand und mit wenig zusätzlichen Kosten. Das gilt auch für den Silvestercountdown. Vielen Dank für das Glas Sekt. Das war es! Niemand, der die Stimmung vor 0 Uhr langsam hochkochen lässt, niemand, der die Minuten und Sekunden runterzählt. Niemand da, der „Gesundes Neues Jahr 2012“ ruft. Stattdessen wurde per Band leise Musik gedudelt. Von einem DJ weit und breit nichts zu sehen. Wenn Frau Jendsch „den ganzen Abend vor Ort“ (OZ, 3. Januar 2012) war, hätte sie diese Blamage verhindern müssen und wenn sie selbst das Mikro in die Hand genommen hätte. Wir hätten jedenfalls gerne in einem vollen Saal gemeinsam mit allen Gästen angestoßen. So verlor sich alles irgendwie. Wenn man nicht zur Uhr gesehen hätte, man hätte Silvester in der Brauerei verschlafen. Ganz schön veralbert kamen wir uns vor, als dann zwischen 0.20 und 0.40 Uhr gleich zweimal „Ein bisschen Spaß muss sein“ vom Band kam. „Kreuzberger Nächte sind lang“ – eben auch in Venedig – wurde hinterher geschoben. Dass Frau Jendsch in der OZ sagt: „Aber wir haben uns große Mühe gegeben“, stellt ihr ein Armutszeugnis aus. Auf mich wirkte dieser Abend ganz anders – oder sie kann es nicht besser.
Als die Ü80-Busladung gegen 0.30 Uhr den Saal räumte, forderten die restlichen Gäste vehement die Band wieder zurück. Die spielte dann noch bis gegen 2 Uhr wirklich gute Musik (sie sind nur einmal von den Ü80-Gästen ausgebuht worden). Alle noch Anwesenden rockten gemeinsam mit der Band und hatten wenigstens dann noch ihren Spaß – fern von Silvester und Venedig und anderen Unfällen. Frau Jendsch war aber zu diesem Zeitpunkt garantiert nicht mehr da.
FRANK BURGER