Darßmarathon ’07
Wieck. Es ist Sonntag, kurz nach 10 Uhr. Die Sonne steigt ungestört von Wolken in Richtung Zenit. Auf den Ackerwiesen zwischen Wieck und Prerow zieht sich ein buntes Läuferband hin. Fast sieben Kilometer des 2. Darßmarathons sind geschafft. Erste Schweißperlen auf der Haut – trotz des leichten Windes. Auf dem Asphaltweg dann eine weiße Schrift „ Jörg – noch 35 km – dann Sex“. Die Läufer lachen. „Heißt hier einer Jörg?“ Läufer brauchen Unterstützung. Kurz vor Prerow die erste Wasserstation, dankbar wird zugegriffen. Mal Ansporn, mal Wasser – Läufer erhalten Unterstützung von vielen, oft auf ganz unterschiedliche Art: im Darßwald verteilt Mecklenburg-Vorpommerns Finanzministerin Sigrid Keler Wasser. Zwei Frauen mit großen bunten Hüten feuern ihren Rolf auf Plakaten zum 100. Marathon an – Urlauber und Einheimische klatschen, rufen, jolen, in Ahrenshoop wird Live-Musik gespielt.
Der Darßmarathon ist auch in seiner zweiten Auflage ein Event. 1415 Teilnehmer sind auf den Strecken Marathon, Halbmarathon und in den beiden Streckenlängen auch als Nordic-Walker unterwegs. Komplettiert wird das sportliche Angebot durch Kinder- und Bambini-Läufe. Das größte Starterfeld ist beim Halbmarathon zu verzeichnen. Die Läufer kommen aus ganz Deutschland, der Schweiz, aus Großbritannien und ein Starter ist aus Estland angereist.
Gegenüber dem Vorjahr führt die Strecke nun genau andersherum. Der Deich zu Beginn des Laufes 2006 war zu schmal. Gleiches Bild allerdings bei den führenden Läufern: Michael Zabel (2:37:25h) bei den Männern und Liane Muschler (3:14: 41h) gewinnen den Marathon wie im Vorjahr. Doch Sieger sind an diesem Tag alle, die auf die Strecke gegangen und den Zielstrich überquert haben (20 Teilnehmer gaben auf). Unter ihnen ist auch Rudi Schütz aus Buxtehude, mit 78 Jahren der älteste Teilnehmer des Tages. „Das mache ich mit links. Über fünf Stunden wird es aber schon“, sagt er vor seinem 35. Marathon. Aus Barth kommt das A-Team. Die fünf Frauen und zwei Männer tragen alle ein „A“ im Vornamen: Nach 2006 bestreiten sie nun den zweiten Halbmarathon. Es geht das Gerücht um, dass auch Barths Stadtpräsident Dirk Leistner den Halbmarathon läuft. Ein ganz besonderer Tag ist für Daniel Horn aus München. Er hat am 6. Mai Geburtstag und wollte unbedingt am Darßmarathon teilnehmen. „Die Natur ist hier eben wunderschön!“ Für die Marathonis ist sicher das Stück am Steilufer der Ostsee ein Highlight. Einige verlaufen sich an der Buhne 12 kurz, das Holzmehl war nicht gut zu sehen. Dann geht es in Richtung Althagen auf die Boddenseite. Die Sonne steht inzwischen hoch. Viele Urlauber sind mit dem Rad unterwegs. Ein wenig problematisch für das Hauptfeld des Marathons. In Born kommen noch die Halbmarathonis ins Feld. Da wird es manchmal eng auf den letzten Kilometern. Kurz vor dem Ziel werden die Beifall klatschenden Zuschauer auch wieder zahlreicher. Viele brauchen jetzt Unterstützung. Die Strapazen sind ihnen deutlich ins Gesicht geschnitten. „Gleich geschafft!“, rufen die Zuschauer immer wieder. Zieleinlauf. An den Mikros reden sich seit den Morgenstunden Math Pijpers und Marcus Weiß die Seele aus dem Leib. Sie feuern jeden Läufer noch einmal an. Glückliche Gesichter der Läufer mit den manchmal humpligen Laufstilen. An der Zielmatte ist alle Qual vergessen. Rolf Lüer aus Holle (Niedersachsen) beendet seinen 100. Marathon mit einer Zeit unter vier Stunden. Der 62-Jährige gewinnt seine Alterklassenwertung. Ein Ehepaar sprintet mit ihren Kindern ein. Eine Omi schiebt ihren Enkel nebst Kinderwagen übers Ziel. Die sportliche Omi ist Martine Evers (54) aus Wieck. Sie wird begrüßt von Susan Elisabeth Knoll, ebenfalls aus Wieck. „Sie hat mich für den Halbmarathon fit gemacht“, sagt sie und zeigt auf die Omi neben sich. Auch Dirk Leistner schafft den Halbmarathon. Alle Läufer bekommen im Ziel eine Medaille umgehängt, die sie an ihren Leistung erinnern soll.
Wieder außergewöhnlich: ein Fisch, ein Schiff? „Die Keramikwerkstatt Bunte Scherben aus Schwerin hat sie angefertigt“, sagt Christoph Lampert, der Organisator des Marathon-Events. Die ersten Siegerehrungen rufen die Geehrten auf das Siegerpodest aus Strohballen. Erst nach über sechs Stunden kommt Rudi Schütz, der älteste Teilnehmer, ins Ziel. „Die Zeit ist mir egal“, sagt er. „Ich habe ab Kilometer 23 eine junge Frau unterstützt, die ihren ersten Marathon gelaufen ist. Sie brauchte die Unterstützung. Vielleicht hätte sie den Marathon sonst nicht geschafft. Hilfe ist doch wichtig“, sagt er lacht und scherzt, als ab nichts gewesen sei.