Ex-Förster auf Fotopirsch
Es ist stockdunkel. Wir gehen knapp hintereinander. Einige von den neun Frühaufstehern haben Taschenlampen und Stirnleuchten. Trotzdem müssen wir ganz vorsichtig sein. Schnell kann man auf dem Waldweg über eine Wurzel stolpern. Plötzlich, scheinbar direkt hinter uns, ein ohrenbetäubendes Gebrüll. Wir zucken zusammen. Dann von weiter Ferne die Antwort. Ein zweiter Hirsch röhrt zurück. Es ist Hirschbrunft und die kleine mutige Truppe ist mit Klaus-Herbert Schröter auf Fotoexkursion im Darßwald unterwegs. Mutig brauchen wir eigentlich nicht zu sein, denn Klaus-Herbert Schröter kennt sich als ehemaliger Revier-Förster im Wald aus. Als passionierter Tierfotograf mit Meisterambitionen sind wir also in guten Händen, wenn wir ein begeisterndes Hirschfoto schießen wollen.
„Ich habe es gerne Auge in Auge“ sagt der gebürtige Altentreptower. „Ich sitze nicht gerne in Hütten. Jeder muss seine Chance haben“ fügt der Jäger mit Waffe und Fotoapparat hinzu. Der Jäger schießt nicht mehr. Er hat die Waffe 2013 in den Schrank gestellt. Der 64-jährige Klaus-Herbert Schröter ist im Vorruhestand und begleitet jetzt nur noch Fotoexkursionen für die Fotoschule Zingst. Damit ist er glücklich. „Ich konnte in meinem Leben Beruf und Hobby miteinander verbinden“, resümiert der ehemalige Förster.
In seiner Jugend hatte ihn ein Bekannter immer in die Natur und zur Jagd mitgenommen. So fing alles an. Ein Lehre in Klueß als Facharbeiter für Forstwirtschaft schloss sich an. In dieser lernte er während eines Praktikums erstmals den Darß kennen – und war begeistert. Da musste später der frisch gebackene Dipl. Forst-Ingenieur nicht lange überlegen als er vor die Wahl gestellt wurde: Darß oder Müritz? Als Schröter 1978 in Prerow seinen Dienst antrat, stand er als 28-Jähriger dem größten Revier auf der Halbinsel mit 1100 ha vor. Holz einschlagen, aufforsten und zu Jagd gehen – das war der Alltag, den Klaus-Herbert Schröter mit einem Pferdegespann und fünf Forstwirten zu bewältigen hatte. Da kam 1983 das Angebot für ein Jahr nach Laos zu gehen genau richtig. „Wir sollten damals solidarische Hilfe bei der Unterhaltung von Kaffeeplantagen leisten. Das war vielleicht ein Abenteuer“, lacht der Ex-Förster noch heute. Doch die Zeit hat ihn auch geprägt. Er ist einfühlsamer geworden, weiß sich mehr zurückzunehmen. Wieder zurück in seiner beruflichen Heimat übernahm er das Revier Zingst, das er bis 2013 als Revier-Förster führte. „Nach meiner Rückkehr aus Laos habe ich Lichtbildervorträge gehalten. Damals habe ich mir gedacht, das kannst du doch auch mit Bilder von hier machen. Unsere Heimat ist doch auch schön“, erzählt Klaus-Herbert Schröter. Das war die Geburtsstunde seiner Liebe zur Fotografie – zur Tierfotografie. Der Förster besorgte sich zu seiner Kamera ein 500mm-Objektiv. So ging er mit Gewehr und Fotoapparat auf die Pirsch bis zu 250 Mal im Jahr. „Das Revier war ja Staatsjagdgebiet und ich hatte einen führenden Genossen aus der Regierung zu begleiten, der ständig Lust auf Jagd hatte. Da musste ich immer zur Verfügung stehen“, plaudert Klaus-Herbert Schröter aus alten Zeiten. Der Anruf konnte auch kurzfristig kommen. Wenn Klaus-Herbert Schröter Zeit für sich hatte, war er mit der Landschaft auf dem Darß eins. Er interessierte sich für das Zusammenspiel von Wind, Meer, Strand und Wald und so hat er in seinem Portfolio auch noch Bilder von Windflüchtern und Strandabschnitten, die es so gar nicht mehr gibt.
So richtig angefangen zu fotografieren habe er erst 2006, meint Schröter. Mit der ersten Nicon und Sigma-Objektiven und der Bekanntschaft mit Peter Prast, dem ersten Leiter der Fotoschule Zingst, begann für den Förster eine neues Fotografie-Zeitalter. Er bekam Kontakte zu den Fotografen Jürgen Reich und Christoph Hauschild, trat in die Gesellschaft Deutscher Tierfotografen (GDT) ein und verbesserte seine Ausrüstung immer weiter. Als der Tourismus und die Fotografie die einzigartige Konstellation „Hirsch und Meer“ entdeckten, ist er der Mann am richtigen Ort mit den richtigen Kenntnissen. Klaus-Herbert Schröter begleitete Fotografiegrößen wie Peter Scherbuck und Heinz Teufel in den Darßwald, dahin, wo man Hirsche am Meer fotografieren kann. Der Förster und Hobbyfotograf nutzte die Gunst der Stunde und schaute sich viel von den Profis ab. Seine Bilder wurden immer besser und immer begehrter. Ein Hirsch am Strand im Hintergrund ein Segelboot. Ein Reh, das aus dem hohen Gras lugt. Ein Wildschein auf Konfrontationskurs. Tiere des Darßes – Fotos von Klaus-Herbert Schröter. Die Erlebniswelt Fotografie Zingst ehrte Klaus-Herbert Schröter 2013 mit einer eigenen Ausstellung im Kurhaus. Zurzeit sind seine Bilder in einer Gemeinschaftsausstellung auf dem Zingster Bibliotheksplatz zu sehen. Wer mit dem Fachmann für Darßer Tierfotografie auf Pirsch gehen will, der sollte im Herbst und zu Ostern nach einem „Morgendlichen Spaziergang“ auf der Web-Site der Zingster Fotoschule schauen. Früh aufstehen ist da ein Muss.
Klaus-Herbert Schröter hat uns günstige Standpunkte gezeigt. Hier sind Hirsche und Rehe gut zu fotografieren. Von überall her röhrt es. Die Unerfahrenen sehen nichts. Klaus-Herbert schon. Da! Ein kapitaler Hirsch jagt zwei Rehe zurück zu seinem Rudel. Knips. Naja, vielleicht hätte ich doch das größere Zoomobjektiv mitnehmen sollen.
Auf dem Heimweg gibt Klaus-Herbert Schröter noch Tipps: Einfach losgehen bringt nichts. Ein Tierfotograf muss sich informieren, mit Bauern und Förstern reden, sich Genehmigungen holen, geduldig sein, bei Wind und Wetter durch die Natur streifen. Immer und immer wieder. Das ist die Welt von Klaus-Herbert Schröter.